Sonntag, 27. Januar 2008

Eden's Odysseen # 1

Es gibt so Tage, da funktioniert einfach gar nichts.
Da beginnen Kriege. Da ereignen sich Terroranschläge. Da verabschiedet sich die halbe Welt mal ganz spontan von ihren zivilisierten Eigenschaften. Oder man tritt einfach nur auf dem Bürgersteig direkt in einen fetten Haufen Hundescheiße.
So Tage halt, wo man sich fragt, ob die Menschheit angesichts ihrer unglaublichen Ignoranz und Dummheit überhaupt noch eine Existenzberechtigung hat.
Oder warum diese verdammten Hunde nicht dreißig Zentimeter weiter links in den Rasen scheißen können.

Gestern war so ein Tag.

Kurz zusammengefasst, ich ging spät nachts aus dem Haus, wanderte in die Dunkelheit, und kam mit einer blutenden Beule am Schädel und einigen sehr schmerzhaften rektalen Verletzungen wieder zurück.
Jaja, ich weiß schon – aber bleibt da, in der Geschichte ist weit weniger homoerotischer Inhalt zu finden als man jetzt vielleicht denken mag.

Deshalb präsentiere ich jetzt, voller Stolz und mit einem unangenehmen Juckreiz um den Schließmuskel herum, den ersten Teil einer neuen Serie, die in Zukunft vermutlich sehr oft Zuwachs bekommt:

Eden's Odysseen # 1:

Es war ein Samstag wie jeder andere. Nämlich ein beschissener.
Irgendwann im Laufe meines Lebens war meine Mutter der Meinung gewesen, dass ich an allen Wochenenden bis zu meiner Volljährigkeit Zeitungen austragen sollte. Um mir etwas Geld dazu zu verdienen. Um zu lernen, was Arbeit heißt. Um Verantwortungsbewusstsein zu erlangen. Die ganzen Schwachsinnsgründe, die einem Erziehungsberechtigten in dieser Hinsicht einfallen können. Denn ich habe samstags ja auch nichts anderes zu tun.
Ich tat es also für das Geld.
Und ich tue es für gewöhnlich nachts. Nicht, weil ich nur schwarz trage, so tue, als würde ich mich mit Satanismus auskennen und jedem, der es nicht hören will, erzähle, dass ich Sonnenlicht hasse. Nein, der Grund ist einfach – nachts trifft man keine Menschen.
Nicht, dass ich Menschen nicht mögen würde. Nein!
Nur gibt es in unserem Kaff nur diese ganz besondere Art von ländlichen Menschen. Rentner, Arbeitslose und noch Schlimmeres – Kinder! – die einen dann immer anschauen. Einen grüßen. Mit einem reden. Unsäglich schlechte Witze machen, über die man dann künstlich lachen muss, nur um möglichst schnell wegzukommen.

Es war also ein Samstag wie jeder andere. Nämlich ein beschissener.

Um zwei Uhr morgens verließ ich mein trautes Heim, leicht bis mittelstark alkoholisiert, wie ich es eigentlich generell etwas oft bin. Gehört in Bayern ja quasi zum guten Ton. Wie immer ging – oder torkelte - ich meine Runden, warf die Prospekte ein, ohne die die Leute anscheinend nicht leben können, denn wenn ich einmal ein Haus vergesse, ist die Hölle los.
Nur gab es ein Problem.
Winter. Kälte. Glatteis. Alkohol. Schlechte Kombinationen.

Außerdem ist es nachts generell nicht sehr angenehm, vor allem, wenn man sich beständig von Rammstein zudröhnen lässt und dann neben stockfinsteren Wäldern vorbeistolpert. Gar nicht auszudenken, was einer so attraktiven, wehrlosen Frau wie mir da zustoßen könnte!
Zudem scheinen die wenigstens Leute damit zu rechnen, dass um zwei Uhr morgens ein betrunkener Jugendlicher die Straßen abklappert und bei ihnen Werbung für Hundefutter mit Hühnchengeschmack einwirft. (Mögen Hunde eigentlich Hühnerfleisch? Davon hab’ ich noch nie gehört.)
Was sie dazu verleitet, die Tore zu ihren Einfahrten zu verschließen und zu verriegeln, einen Stacheldrahtzaun zu ziehen und die Selbstschussanlagen zu aktivieren.

Oder zumindest eins von dreien.

Was den vollkommen betrunkenen Jugendlichen wiederum dazu verleitet, sich mit dem Elan und der anmutigen Grazie eines vollkommen betrunkenen Jugendlichen über ihre Zäune und Tore zu hieven.
Was auf Dauer natürlich nicht gut gehen kann.
Vor allem bei Glatteis.

Denn früher oder später passiert ein Unglück – und wenn man dann bei diesem Unglück von einem scheiß hölzernen Zaunpfosten beinahe anal vergewaltigt wird, hört der Spaß irgendwo einfach auf.
Auch, wenn man vollkommen betrunken ist.

Aber man rafft sich natürlich auf. Man ist immerhin Werbeprospekte-austräger. Eine verdammt harte Sau - die Elite. Der Beste der Besten. Man bringt den Leuten jedes Wochenende ihre wertvollen kleinen Heftchen, bei jedem Wetter, zu jeder Jahreszeit.
Man ist ja schließlich ein Held des Alltags.

Außerdem ist man vollkommen betrunken.

Was man allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht weiß, und auch eine Viertelstunde später noch nicht, wenn man die Strecke schon fast durchhat und sich auf den Weg nach Hause machen will, ist etwas sehr Interessantes: Viele Menschen sind selbst im Januar noch zu faul, ihren verfickten Weihnachtsschmuck abzuhängen.
Und wenn man dann um zwei Uhr morgens mit dem Tunnelblick eines vollkommen betrunkenen Jugendlichen nach Hause torkelt, ist das Letzte, was man erwartet, ein fetter Stoffweihnachtsmann, der an einem Balkon über einem hängt und einen mit dem psychopathischsten Blick, zu dem ein Stoffweihnachtsmann überhaupt nur fähig sein kann, anstarrt.
Glaubt mir, damit rechnet man einfach nicht.
Natürlich erschrickt man, man rutscht beinahe aus, fängt sich gerade noch, erkennt den Weihnachtsmann. Man lacht noch recht dreckig über seine eigene Dummheit.
Dann dreht man sich um und rennt gegen einen Laternenpfahl, der da irgenwie vorher noch nicht war.
Und endlich bekommt das Glatteis doch noch seine Chance.
Während man sich noch an die schmerzende Stirn greift, kracht man schon mit dem Hinterkopf auf den Bürgersteig.
Und dann bleibt man erstmal liegen, um diese unglaubliche Szenerie auf den Leser dieses Blogs wirken zu lassen. Ich meine, früher dachte ich immer, so was gäbe es nur in den schlechtesten Cartoons für die dümmsten Kinder. Aber ich schwöre hoch und heilig, man möge mir beide Eier abschneiden und zum Verzehr braten, wenn ich lüge – es war wirklich so. Genau so.

Da lag ich also nun, und tat erstmal das, was jeder in meiner Situation machen würde.
Ich zündete mir eine Zigarette an und blieb liegen, um zu warten, bis die Welt aufhören würde, sich zu drehen.
Was sie nicht tat. Ob das nun am Alkohol lag oder an dem Blut, das wohltuend wärmend in unglaublichen Massen aus meinem Hinterkopf strömte, ich weiß es nicht.
Na gut, eigentlich waren es nur ein paar Tropfen.

Jedenfalls stand ich irgendwann wieder auf.
Ich glaube zumindest, dass ich aufstand, denn als ich wieder aufwachte, war ich zu Hause, mit gleich zwei schmerzhaften Beulen am Schädel und einem unangenehmen Kratzen um den Schließmuskel herum.
Oder vielleicht ist das auch alles nur ein kranker Traum, den mein Unterbewusstsein sich ausgedacht hat, um mich vor der viel grausameren Wahrheit zu schützen.

Jedenfalls ein ganz normaler Samstag. Nämlich ein beschissener.

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